Stok Kangri Besteigung

02. 10. 2004
Ich bin nun schon seit einigen Tagen in der Provinz Ladakh. Langsam habe ich mich etwas an die Kälte gewöhnt und sobald die Sonne hervorkommt ist es auch draussen angenehm warm. Eigentlich sind die Temperaturen nicht sehr tief (selten weniger als -5°C) aber es gibt keinen Ort, wo man sich aufwärmen kann, da nirgends geheizt wird.
Leh ist eine Stadt, wie ich sie mir zuvor nicht ausmalen konnte. Das erste was auffällt ist der Staub, die Abgase der Fahrzeuge, die vielen Kühe, Esel, Hunde und Pferde die am Strassenrand Dreck oder Karton fressen und manchmal tot in der Gosse liegen. Die Leute hier scheint das alles nicht sonderlich zu stören. Ihnen geht es z.T. genauso dreckig. Und dennoch ist dies eine Region von Indien, wo es den Menschen relativ gut gehen soll. Auch der Umgang mit der Hupe und die Fahrweise gernerell ist sehr gewöhnungsbedürftig. Die Wahrscheinlichkeit auf der Strasse einen Unfall zu haben ist vermutlich wesentlich grösser als auf einer Bergtour. Die meisten Güter werden mit uralten, reich verzierten Lastwagen in die Stadt gebracht. Ende Sommer werden die Lastwagenkarawanen länger, da alles, was über den Winter gebraucht wird und nicht eingeflogen wird, noch vor der Schliessung der Zufahrtswege und -Pässe nach Leh gebracht werden muss.
Heute war ich alleine auf kleineren Wanderungen rund um Leh. Es hat gut getan, aus der Stadt raus zu kommen. Ich habe immer noch Mühe mit dem scheinbaren Elend und dem Dreck der hier überall das Bild der Stadt prägt. Die Leute sind sehr freundlich und scheinen auch nicht unglücklich zu sein und dennoch ist es schwierig, mich hier wohl zu fühlen. Leben und Tod sind ungewohnt nahe beieinander. Es reicht, durch die Altstadt zu gehen um Hunde-Kadaver und Welpen nebeneinander zu sehen. Die Menschen hier scheinen wesentlich besser mit dem Werden und Vergehen umgehen zu können als wir “zivilisierten” Westler. Es ist eine dreckige, von Leiden geprägte Welt, wesentlich echter und unmittelbarer als bei uns. Zudem ist das Leben stark von der Buddhistischen Religion geprägt. Etwas ausserhalb der Stadt ändern sich die Verhältnisse jedoch sehr schnell. Ich bin durch wunderschöne, terrassierte, ländliche Gegenden gewandert. Die herbstlichen Wälder in rot- und gelbtönen stehen im starken Kontrast zur steinwüstenartigen Landschaft ringsherum und zu den weissen Gipfeln etwas weiter weg. Die Ortschaften am Fusse des Himalayas sind wie Oasen in einer kargen Bergwüste. Der Boden ist fruchtbar aber es gibt nur gewisse Täler, in denen das Wasser Pflanzen spriessen lässt. Durch das raffinierte Bewässerungssystem ist über die Jahrhunderte eine Landwirtschaft entstanden, welche die Leute jedes Jahr mit genügend Nahrung versorgt.