Nach einem stimmungsvollen Abend am Lagerfeuer und einer kühlen Nacht auf 2500 m besuchen wir am nächsten Morgen eine der Felsbehausungen im Rahmen einer geführten Tour. In unserem Führer steht, dass die Balcony House Tour die anstrengendste und abenteuerlichste Tour sei und Leute mit Höhenangst keinesfalls teilnehmen sollten. Wir sind ein wenig aufgeregt als wir losfahren. Sobald wir aber die anderen Tourenteilnehmer sehen, legt sich unsere Angespanntheit. Wenn Rentner, eine ganze Schulklasse und “horizontally challenged person” auf die Tour mitgehen, dann schaffen wir das auch. Sobald Maro in seiner Trage fest auf George’s Rücken montiert ist sind wir bereit.
Unser Guide ist ein Park Ranger indianischer Abstammung. Dezidiert erklärt er die strickten Regeln der Tour: Respekt gegenüber der indianischen Kultur, zuhören, nichts anfassen, kein Essen, keine Getränke ausser Wasser u.s.w. Ein Schüler mit einem Kaugummi wird vor die Wahl gestellt: entweder zurück bleiben oder Kaugummi verschlucken. Kultur wird hier offenbar per Drill Sergeant vermittelt. Vermutlich ist dies notwendig bei den Horden. Zuerst führt der Weg steil entlang der oberen Canyonwand nach unten. Die Aussicht von hier ist fantastisch, man überblickt den ganzen Canyon bis ins Tal. Um zu den Felshäuser zu gelangen müssen wir nun wieder hochklettern und zwar über eine 10 m hohe Holzleiter die mehr oder weniger über dem Abgrund hängt. “Nicht nach unten ins Tal schauen! Die Leiter nicht loslassen!” instruieren wir Leon und Teo. Aber die beiden erklimmen ganz locker die Sprossen.
Oben angekommen stehen wir inmitten einer Gruppe von würfelförmigen, beengend kleinen, gemauerten Zimmern, jeweils mit maximal einem Fenster und hölzernen Balkonen. Die Räume stehen in zwei bis drei Ebenen gestapelt auf einem Felsvorsprung vielleicht 30 m unterhalb der Krete und sind durch ein überhängendes Felsband geschützt. Die Anasazi Stämme, welche diese Cliff Dwellings in den steilen Felswänden des Canyons im 13. Jahrhundert gebaut und bewohnt haben, müssen schwindelfrei und trittsicher gewesen sein: nur ein kleines Mäuerchen trennt den Vorplatz vom Abgrund. Die Behausungen haben sie im Sommer vor der Hitze, im Winter vor den kalten Winden und dem Schnee geschützt. Zudem müssen es Angreifer sehr schwer gehabt haben, den Bewohnern etwas anhaben zu können. Aber zu was für einem Preis. Viel Platz gab es hier unten nicht, für Kinder boten sich kaum Möglichkeiten sich auszutoben und im Winter war es vermutlich nass-kalt. Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere (kleine) Bewohner bei einer Unachtsamkeit abstürzte.
Die ganze Gruppe muss anschliessend durch einen mehrere Meter langen Tunnel kriechen um in den zweiten Teil der Felsenhäuser zu gelangen. Hier in Amerika gehören wir definitiv zu den Schlanken, aber George mit Maro auf seinem Rücken passt robbend gerade noch hindurch. Welch Wunder: niemand bleibt stecken. Unser Führer erzählt uns einiges über die Lebensweise der Anasazi: sie waren gute Korbflechter, Töpfer, bauten Mais und Bohnen an und die Männer gingen auf die Jagd. Die Bauten sind eindrücklich und geben einen guten Einblick in die einfache indianische Kultur zu dieser Zeit. Im Vergleich dazu: die kappadokischen Höhlen entstanden vermutlich vor Christus, im 13. Jahrhundert bestand die Hagia Sophia schon ein halbes Jahrtausend und in Florenz hatte der Bau der Kathedrale begonnen.
Wir verlassen die Felsenhäuser und klettern über die ursprünglichen Stufen, welche die Bewohner in den Felsen geschlagen hatten nach oben. Selbst mit dem zusätzlichen Geländer und den Ketten braucht es viel Überwindung diesen sehr ausgesetzten Weg zu gehen. Wir sind erleichtert als wir zu fünft wieder oben stehen.
Liebe Nicole
Ich wär gestorben; wenn ich meine Kids und Abrgründe sehe wird’s ganz gschmuuch bei mir so es schöns Foti vo eu am Füür
Grossi Umarmig
Géraldine